Reiseberichte aus der Mongolei Jens Geu

Einmal Süd-Gobi und zurück


Der Abreisetermin in die Gobi ist auf heute festgelegt. Unser russischer UAS ist aufgetankt vor dem Neubaublock in Ulaanbaatar geparkt, aber wie immer bei solchen Unternehmungen in der Mongolei, fehlt natürlich noch etwas. Diesmal ist es das zweite Fahrzeug, dass mit uns die Tour bestreiten will, in dem ein australischer Tourist mit seiner mongolischen Freundin seine landeskundlichen Kenntnisse ausbauen will.

Am späten Nachmittag und nach etlichen Telefongesprächen ist dann endlich der Geländewagen da. Wahrscheinlich gab es in letzter Minute noch Diskussionen zum Preis des Unternehmens mit gemietetem Fahrzeug und Fahrer. In den drei Sommermonaten ist die Nachfrage so groß, dass die Preise für solche Leistungen gewaltig nach oben schnellen.

Es ist schon fast Abend, als das Team aus zwei UAS und acht Personen Ulaanbaatar hinter sich lässt und in die Wildnis der mongolischen Steppe eintaucht. Schon nach 30 Kilometern verlassen wir Häuser, Straße und Handy-Empfangsbereich. Wir haben Richtung Süden nicht die Hauptpiste nach Dalanzadgad gewählt, sondern die etwas östlicher verlaufende Route. Hier geht die Asphaltpiste nicht in eine staubige Schotterpiste über, sondern sie verliert sich als Fahrspur in der Weite der Steppe. Auf diese Weise legen wir noch etwa 100 Kilometer zurück, um unser erstes Camp auf dieser Tour zu errichten. Obwohl man es dem russischen UAS äußerlich nicht unbedingt ansieht, lässt sich hinter der Rücksitzbank eine Unmenge Gepäck verstauen. Wir sind somit gut ausgerüstet und brauchen kaum auf die Annehmlichkeiten des Lagerlebens zu verzichten.

Jedes Mal aufs neue beeindruckend ist der kristallklare Nachthimmel über dem Konzert der Grillen das vom warmen Steppenboden aufsteigt. Insofern ist die Stimmung in Hochform und jeder in der Truppe ist in bester Erwartung für die Eindrücke der nächsten Tage.

Der zweite Tag führt uns durch ein grünes Meer von Gras. Dieses Relief aus ewigen Bodenwellen und stark gerundeten Hügeln, ohne Baum- und Strauchvegetation bringt binnen Kurzem die Seele ins Gleichgewicht und uns am Abend in die richtige Lagerfeuerstimmung. Das Feuer entfachen wir inmitten einer Sandsteinfelsenformation. Diese rotbraunen, vom Wind gerundeten Felsen liegen hier wie hingestreut in der Steppe. Um das Lagerfeuer am Brennen zu halten, müssen wir jedoch eine ganze Menge trockenen Kuh- und Kameldung sammeln, denn Holz gibt es hier natürlich nicht.

                                                                                                                                                                                                                                                                Als wir am nächsten Tag die großen Schotterflächen der Nord-Ost-Gobi erreichen, erwartet uns ein kurzer aber heftiger Gewitterguss. Die Ausläufer der Monsunregen, die Teile Chinas unter Wasser gesetzt haben, erreichen dieses Jahr auch die Mongolei. So kommt es, dass wir am folgenden Tag mit unserer Route eine tiefliegende Ebene kreuzen, die fast vollständig unter Wasser steht. Der etwa ein Meter starke Löss ist teilweise völlig unter Wasser, so dass ein Weiterfahren nur um den Preis des Verlustes der Fahrzeuge möglich wäre. So bleibt nur die etwa 30 Kilometer durchmessende Geländesenke am höhergelegenen Rand zu umfahren. Trotz alledem nähern wir uns mit einer ganz ordentlichen Reisegeschwindigkeit von etwa 60 Kilometern pro Stunde Dalanzadgad. Das ist für mongolische Verhältnisse Hochgeschwindigkeit. Auf Touren im Norden oder im Changai erreicht man selbst auf vielbenutzten Hauptstrecken kaum mehr als 30 Kilometer in der Stunde. Hier in diesem Teil der Gobi kann man auch als typischer deutscher Sonntagsgeländefahrer das Fahrzeug sicher bewegen und so wird sich beim Fahren häufig abgewechselt und es kommt trotz der weitgehend ebenen Landschaft keine Langeweile auf.

Die soll sich aber ändern, als endlich vor uns die östlichste Kette des Gobi-Altai, die Gurvan Saichan auftauchen. Da ich dieses Gebirge relativ gut kenne und weiß, was uns erwartet, ist mir schon unheimlich kribbelig. Nach einigen Stunden haben wir das Gebirge erreicht und chauffieren durch enge Täler in die Geierschlucht im Zentrum der insgesamt 100 Kilometer langen Gebirgskette. Vorher müssen wir jedoch an die Nationalparkverwaltung eine nicht ganz unbedeutende Gebühr entrichten, da es in den letzten Jahren vermutlich Hauptgegenstand westlicher Umweltschutzprojekte war, den Mongolen begreiflich zu machen, dass Natur pur auch verkauft werden kann. So sind riesige Gebiete zu Nationalparks erklärt worden und die Verwaltung hat ein perfektes und aufwendiges Gebührenerhebungssystem eingeführt, das dann die handvoll Touristen oder einfachen Reisenden ständig verfolgt und auch daran erinnert, dass in der freien Marktwirtschaft nichts umsonst sein kann.

Das trübt aber nicht die Freude eines Camps in der Geierschlucht. Am Grund der bis 600 Meter tiefen Schlucht fließt ein Bach aus kristallklarem Quellwasser und das mitten in der Gobi. Bekannt ist dieses Gebirge aber vor allem wegen seines Reichtums an Argalis und Gemsen. Diese Tiere kann man hier fast immer beobachten. Wo solche Tiere vorkommen, gibt es in der Mongolei natürlich auch entsprechend viele Wölfe.

Es wird eine Vollmondnacht und es gibt anstelle der sonst üblichen Grillengesänge heute Wolfsgesang in einer nahezu perfekten Kulisse. Den bleibendsten Eindruck einer Gobi-Tour gewinnt man sicherlich, wenn man wie wir über einen der zahlreichen Trockenflüsse des Gurvan Saikhan auf den Kamm hinauf und in einem Flussbett in westlicher Richtung wieder hinabfährt. Man kommt nachdem das Hochgebirgstal den Blick auf die Gobi freigibt, unmittelbar zu den Sandfeldern des Hungriin Els. Ein strahlender weißer Streifen liegt vor der Kulisse des folgenden Gebirgszuges des Gobi-Altai. Beim Näherkommen werden die einmalig geschwungenen Linien des Hungriin Els sichtbar. Vor der riesigen Düne sammelt sich Sickerwasser und bildet Sümpfe und kleine Seen, die wiederum dafür sorgen, dass Pflanzen einen grünen Gürtel vor der Düne bilden.
                                                                                         

Wir fahren am Fuß der Düne entlang, auf der Suche nach einem möglichst romantischen Lagerplatz. Allerdings passiert etwas für mongolische Verhältnisse fast unglaubliches: die von weitem ausgewählte Stelle ist bereits belegt. Eine Gruppe, die mit mehreren Zelten und drei UAS unterwegs ist, hat es sich hier gemütlich gemacht. Ist das nun Zufall oder der Anfang vom Massentourismus? Wir fahren noch etwa zehn Kilometer Richtung Norden und sind dann wieder mit uns und der Wüste allein.

                                                                     

Am nächsten Morgen beschließen wir, das Gebirge aus Sand zu besteigen. Eine relativ komplizierte Angelegenheit, da nur ein ausstreichender Grat geeignet scheint, denn die Düne ist zu steil. Durch ganz behutsames Auftreten und nur unmittelbar auf dem verfestigten Grat ist ein Laufen ohne in den Sand einzusinken möglich. Die ganze Prozedur dauert mehr als drei Stunden – und dann, in der sengenden Mittagssonne sitzen wir auf dem Kamm des Sandberges. Der Höhenmesser zeigt eine Differenz von 200 Metern. Es soll aber auch noch höhere Dünen im Nord-Westen der Gobi geben.

Der weitere Verlauf der Reise geht nach Westen in die nahezu unbesiedelten Territorien der Gobi. Von hier ab kann nur nach Karte und GPS gefahren werden, denn keiner aus der Gruppe verfügt hier über Ortskenntnisse. Das Problem ist aber weniger zu bestimmen, wo man sich befindet. Dazu reichen praktisch schon die 500'000er mongolischen Karten aus, die die Topografie relativ gut wiedergeben. Da am Horizont immer charakteristische Gebirgszüge der einzelnen Teile des Gobi-Altai zu sehen sind, fällt die Orientierung nicht schwer. Das Problem ist es, geeignete Trassen zu finden. So dauert es nicht allzu lange und das erste Fahrzeug hat sich hoffnungslos im lockeren Sand eines sogenannten Saksaul-Waldes festgefahren. Saksaul ist die typische Gobi-Pflanze, ein Wüstenbaum, der bis vier Meter hoch werden kann und dessen steinharter weißer Stamm durchaus Zweige mit grünen Blättern trägt. Die Süd-West-Gobi ist insgesamt bekannt für ihre Vegetation. Die Landschaft besteht aus einer Folge von großen Senken, die von Hügelketten getrennt werden. In jeder dieser Senken hat sich eine eigene Vegetation gebildet.

Nachdem eine Ebene mit dem erwähnten grünen Saksaul in gelbem Sand leuchtet, besteht die nächste aus grau-blauem Kieselboden, der mit Kameldornsträuchern bestanden ist. Eine andere Senke leuchtet mit rotem Sand und Stein und in einer nächsten ist der Sand stahl-grau und mit dichtem Strauchwerk einer Sanddornart bewachsen. Eine Vermischung der einzelnen Pflanzenarten findet praktisch nicht statt. Vermutlich hat jede der vielen Kilometer großen Senken immer die für eine bestimmte Pflanzenart typischen Lebensbedingungen.
                                                                                    

Nachdem wir einige Tage in dieser keineswegs eintönigen Region unterwegs sind, erreichen wir ein weiteres Ziel, die weltweit bekannten Ausgrabungsstätten von Dinosaurier-Skeletten. Im roten Sand findet man hier an vielen Stellen Skelette und Eier dieser Urzeitwesen. Hier halten sich auch in den Sommermonaten immer wissenschaftliche Expeditionen auf und in deren Gefolge vornehmlich japanische Touristen, die auf den von Wissenschaftlern verlassenen Feldern ihren Aktivurlaub verbringen.


Für uns als Laien in diesem Geschäft lässt diese Szenerie zwar Ehrfurcht aufkommen, aber für längere Grabungen fehlt das Interesse, außerdem haben wir uns jetzt über 200 Kilometer von der nächstmöglichen Tankstelle entfernt, bei der nicht mal sicher ist, ob Benzin in den Tanks lagert.

                     

Wir fahren Richtung Norden und erreichen den höchsten Gebirgszug des Gobi-Altai, den Tenguun Bogd, den nur 40 Meter von 4'000 Meter Gipfelhöhe trennen. Es bleibt aber beim Anblick des Riesen vom nächtlichen Camp aus, denn die Zeit zu einer Wanderung in diese mit Sicherheit sehr interessante Gebirgskette fehlt. Außerdem sind wir nördlich des Berges und es versperrt ein Flachwassersee den direkten Weg zum Gebirge. Dieser ist in Trockenzeiten nur wenige Kilometer groß, hat aber durch die Regenfälle in diesem Jahr eine Breite von vermutlich über 30 Kilometern erreicht, jedenfalls haben uns Nomaden mitgeteilt, dass alle Wege nördlich des Gebirges mehr oder weniger im Wasser verschwunden sind.  Wir müssen jedoch feststellen, dass auch die  Hauptpiste  Richtung  Changai  abgeschnitten ist, das sonst als kleines  Bächlein in den Orog Nuur See mündende Gewässer ist nach den Regenfällen in einen reißenden Fluss verwandelt worden und die Durchfahrt wird zum Abenteuer.
                                                                                                                                                               

Auf dem weiteren Weg in Richtung nord-osten durchqueren wir nochmals staubtrockene Schotterwüste und erleben in der Abendsonne eine Antilopenherde von mehreren tausend Tieren, die sich praktisch vor uns auf der gesamten Ebene von West nach Ost verteilen. Die Tiere ziehen vermutlich in Richtung Osten auf ihren jahrtausendealten Wegen, was nur noch im Herzen Zentralasiens möglich ist. Lediglich die etwa 600 Kilometer östlich verlaufende Transmongolische Eisenbahn stellt bei diesen Wanderungen eine Hindernis dar und der Zaun dieser Eisenbahn ist für die Tiere ein fast unüberwindbares Hindernis.

                           

Gegen Mittag des nächsten Tages erreichen wir den süd-westlichen Changai. Die mongolischste aller Landschaften, die Mutter Changai, erhebt sich direkt aus der Wüstensteppe. Schon nach wenigen Kilometern treffen wir auf den ersten ständig wasserführenden Fluss. Wir folgen einem, seitlichen Zufluss hinein in das Gebirge. Inmitten einer der sattgrünen Wiesen der Hochtäler des Changai rasten wir, um zu baden. Nach zwei Wochen Katzenwäsche ein absoluter Genuss, zumal das klare Wasser oberstrom von einer heißen Quelle gespeist wird.

Auf den Berghängen sind auch bereits die ersten Lärchen und Kiefern zu sehen. Diese Wäldchen stellen auch eines der zahlreichen geografischen Einmaligkeiten der Mongolei dar. Hier existiert die weltweit kürzeste Entfernung zwischen Permafrostboden mit nördlichem Nadelwald und der Sandwüste. Beide völlig gegensätzlichen Landschaften liegen hier in nur 100 Kilometer Luftlinie voneinander. Kaum zu glauben, dass man bei Vorhandensein einer entsprechenden Straßenverbindung in nur einer Stunde vom Steinpilzsammeln im Lärchenwald zu den riesigen Sanddünen der Süd-Gobi reisen könnte. Aber hier in Zentralasien wird der Umstand dadurch relativiert, dass hierfür eine Tagesreise notwendig wird. So bleibt genügend Zeit zum Akklimatisieren. Das Nachtlager in einem der Hochtäler lässt auch sofort nach Sonnenuntergang die Kühle des Permafrostbodens spüren.

                             

Der nächste Morgen entschädigt aber vollends. Mongolisch blauer Himmel, satte grüne Weiden mit den runden weißen Punkten der Filzjurten, die hohen aber fast künstlerisch gerundeten Gebirgszüge des Hoch-Changai und braune zottelige Jakherden – eine Landschaft wie Nervenmedizin. Aber auch Mongolen lieben den Changai. Am Abendfeuer hat es spontan einer so beschrieben: "Lieber eine Ziege im Changai sein, als ein Hengst in der Gobi." Ja spektakulär und exotisch sind die Gobilandschaften, aber der Changai ist vollkommen.

Unvollkommen sind hier nur die Verkehrswege. Es gibt weit und breit nur eine Möglichkeit, den Kamm des Changai zu queren und das ist ein wegloser Pass in knapp 3'000 m Höhe. Stellenweise übersteigt die Neigung des Hanges die Steigfähigkeit der Fahrzeuge und es müssen schnelle Kehren gemeistert werden, um dann fast kippend schräg zum Hang zu fahren.

An der Passhöhe befindet sich nur ein winziger Owoo, ein Zeichen dafür, dass hier praktisch kaum jemand vorbei kommt. Die östliche Seite des Bergrückens scheint zwar weniger steil, nichts desto trotz tut sich hier ein anderes Problem auf – die wachsenden Steine. Das sind starke gerundete Spitzen von Felsbrocken, die mal nur wenige Zentimeter die Oberfläche überragen, manchmal aber mit etwa 30 cm gefährlich hoch an die Fahrzeugachse reichen, vom Differenzial ganz zu schweigen. Dazu sind sie noch so gleichmäßig verteilt und vom Fahrzeug aus schwer abschätzbar, das um das konsequente Abschreiten des vermeintlichen Weges in diesem Labyrinth vor größeren Schäden bewahrt.

                                                                           

Als nach mehreren Stunden diese Aufgabe bewältigt ist, erwartet uns eine andere Überraschung. Ein breites Tal liegt vor uns, dessen Hänge bis zur Talsohle mit dichter Taiga bedeckt sind. Der Talboden selbst ist flach wie ein Tisch und mit einem von satt grünen über gelben bis zum im Zentrum roten Grasteppich überzogen. Dieses Farbenspiel der Natur macht aber auch klar, das hier ein Namag auf uns wartet. Namag ist das mongolische Wort für diejenigen Sümpfe, bei denen das Gesicht eines mongolischen Kraftfahrers erst mal bleich wird. Bei der Fahrt durch einen solchen Sumpf ist selbst bei erfahrenen Fahrzeuglenkern das Glück ein wichtiger Begleiter. In solchen Landschaften gibt zwei prinzipiell unterschiedliche Methoden durchzukommen: Die eine ist das langsame Durchqueren hinter einem Pfadfinder, der das ganze abschreitet und dabei versucht einen möglichst günstigen Weg zu finden, allerdings besteht hier bei dem langsamen Durchfahren eher die Change sich häufig festzufahren. Die aber häufiger praktizierte Variante geht davon aus, den Motor auf Vollgas zu drehen die Geschwindigkeit zu nutzen und damit praktisch über die schwimmende Grasnarbe zu fliegen mit dem Risiko, eine richtig schwabbelige Stelle zu erwischen, wo dann das Fahrzeug auf Nimmerwiedersehen verschwindet. Die Möglichkeit, an den trockenen Hängen das in etwa fünf Kilometer Entfernung liegende Talende zu erreichen, scheidet wegen des Waldes mit seinem sehr dichten Unterholz aus. Wir entscheiden, die erste Methode anzuwenden und irgendwann nach mehr als einer Stunde liegt dann auch der Namag hinter uns. Als Belohnung für die Ausdauer sammeln wir uns im feuchten Unterholz Waldpilze für eine Abendmahlzeit. Nach etwa drei Minuten haben wir die erforderlichen fünf Kilo für acht Personen aufgelesen, denn Suchen braucht man hier die Pilze wirklich nicht.

Die weitere Route führt jetzt durch eine Waldlandschaft, die genauso gut nach Norwegen oder Kanada passen würde, Lärchen, Kiefern, Bäche und Seen. Der Lagerplatz am Abend wird diesmal ein richtiges Waldcamp, ein schöner Kontrast zu dem erst zwei Tage vergangenen Sonnenuntergang in der Sandwüste.

Am nächsten Tag verlassen wir diese Gegend, die auch als Naiman Nuur, das Tal der acht Seen bekannt ist und erreichen gegen Abend Karakorum. Als wir die Tankstelle am Rande des Ortes passieren, wird uns schnell klar, was hier los ist. Mindestens hundert Fahrzeuge stehen in Doppelreihe vor den Zapfsäulen. Wir müssen erfahren, das die russischen Raffinerien schon zwei Wochen keinen Tropfen in die Mongolei geliefert haben. Es wird allerdings auch gesagt, das der erste Eisenbahnzug mit Kraftstoff schon an der mongolischen Grenze steht. Da uns ohne Benzin im Tank ohnehin nichts anderes übrigbleibt, suchen wir uns einen schön gelegenen Campplatz am Fluss Orchon und bauen unser letztes Lager, allerdings auf unbestimmte Zeit. Das Wetter ist makellos und der saubere Fluss lädt zum Baden ein, so das auch der zweite Tag wie im Fluge vergeht, außerdem besuchen wir noch das Kloster Erdene Zuu, die bekannte Sehenswürdigkeit von Karakorum.

                      

Am dritten Tag kommt dann die verbindliche Aussage, das Benzin im Anmarsch ist. Tatsächlich trifft am nächsten Morgen der erste Tankwagen aus Ulaanbaatar ein, aber wir stehen jetzt sozusagen am Ende der Wartegemeinschaft und sind erst gegen Mittag an der Reihe. Mit vollem Tank sind die 380 Kilometer Asphaltstrasse bis Ulaanbaator überhaupt kein Problem mehr. Auf der Strecke bietet sich an jeder Tankstelle das selbe Bild, in der näheren Umgebung haben sich kleinere Campingplätze gebildet auf denen Mongolen und auch zahlreiche Touristen auf Kraftstoff warten. Der Gerechtigkeit halber hat man nämlich festgelegt zunächst die entfernten Tankstellen zu beliefern. Aber selbst hier dürfte es nur noch Stunden dauern bis der begehrte Stoff eintrifft, denn selbst noch in der Nacht begegnen uns ständig Tanklastzüge die uns mit ihrer eiligen Fracht fast von der schmalen Strasse drängen. Schon weit nach Mitternacht spielt sich dann eines der unwirklichsten Szenarien ab, die man erleben kann. Nachdem man viele Nächte das Licht der Sterne und des Mondes über riesigen stockdunklen Weiten der Wüste und Gebirge als einzige Lichtquelle erlebt hat, tut sich urplötzlich hinter einem Pass das geradezu verschwenderische Licht des nächtlichen Ulaanbaatar auf.

Jens Geu,  Sommer 1998