Eine Winterreise
Für eine Winterreise in die Mongolei kann es einige Gründe geben, der Eine möchte mal das Zaagan Sar Fest zum asiatischen Jahreswechsel erleben, ein Anderer wagt den Trip zum sogenannten Eisfestival am Khuvsgul See im hohen Norden des Landes oder einen Dritten interessieren einfach die klimatischen Erfahrungen, die man als mitteleuropäisches Weichei bei minus 35 Grad so macht. Was bisher kaum ein plausibles Argument war, ist der Wintersport im Steppenland an der Grenze zur sibirischen Taiga. Man kann trotz regelmäßigem Dauerfrost unter minus 20 Grad nur auf einen Hauch von Pulverschnee hoffen, nicht gerade viel für die meisten Wintersportler, aber auch in den Alpen geht ja heute vieles nicht mehr ohne Maschinenschnee. Genau den hat man seit November 2009 nun auch am Bogd Uul, dem Hausberg von Ulaanbaatar und damit die Voraussetzungen für wenigstens ein wenig Pistenfun. Die Nachricht, dass das Sky Resort, ein alpines Skigebiet, nun endlich doch eröffnet wird, platzte so etwa Anfang November herein. Selbst, der Fokus, die FAZ und die Welt brachten in ihren Online Ausgaben Meldungen davon, Reuters schickte ein kleines Video um den Globus und schon war die vermeintliche kleine Sensation bekannt, die Mongolei hat ein alpines Ski Resort. Für Insider war es eigentlich keine News, man hatte schon ein Jahr vorher damit gerechnet. Die Bagger buddelten schon lange am Berg, verlegten Wasser- und Strom- und Druckluftleitungen, planierten Pisten und installierten Stahlmaste. Die weltweite Wirtschaftskrise hatte aber auch hier den Zeitplan deutlich durcheinander gewürfelt, man glaubte schon gar nicht mehr an die Eröffnung. Nun aber kam die Nachricht und mit ihr ein Medieninteresse an der Mongolei, das sonst nur bei Zud oder anderen Katastrophen üblich ist.
Der Wunsch als einer der ersten Skifahrer am Bogd Uul Spuren in den Schnee zu legen war schon lange da, jetzt fehlte aber die Zeit und so musste der Start in den Januar verschoben werden. Die Zeit rückte heran und mit ihr die Wettermeldungen aus der Mongolei, Rekord in Tosonzengel, minus 50 Grad, Ulaanbaatar minus 38. Das es kalt ist in Zentralasien, wenn die Tage kürzer werden, ist klar, aber soweit in den Keller ging es schon Jahre nicht. Egal, der Plan stand fest und man kann sich ja warm einpacken.
Eine Ankunft in Ulaanbaatar unterscheidet sich an einem Januarmorgen schon deutlich von sommerlichen Tagen, selbst der Schlauch vom Flieger in die Halle bietet kaum Schutz vor der Kälte, es zwickt das erste mal an der Nase. Auf dem Parkplatz vor der Halle weht ein Lüftchen aus dem Tal heraus, das positiv beschrieben nach Räucherschinken riecht, zigtausende Kohleöfen blasen ihren Rauch in den Morgenhimmel.
Der Schnee der Vorstadtsteppe ist auch nicht mehr strahlend weiß, eher etwas grau und die Struktur erinnert mehr an Staub als eine Schneedecke, es sind auch kaum mehr als fünf Zentimeter.
Einer von zwei Vierersselliften bedient die steileren Pisten
Der Plan sieht vor am Nachmittag gleich ins Ski Resort zu fahren, die Vormittagsstunden sind dem Jetlage geopfert. Am Mittag sieht die Welt schon etwas anders aus, die Sonne hat die Temperatur um mindestens 10 Grad nach oben gebracht, so dass es auch im Schatten nur noch etwa 15 Grad unter Null sind. Der Weg ins Ski Resort folgt dem Lauf der Tuul immer am Fuße des Gebirges. Dort wo der Wind in hingetragen hat, liegt der Schnee auch mal 10 oder 20 Zentimeter hoch, andernorts ist der Boden fast braun und nackt. Auf dem zugefrorenen Fluss bietet ein „Eventunternehmer“ Selberfahren auf Motorschlitten an, ein halbes Dutzend solcher Gefährte hat er auf einem LKW antransportiert und wer will und bezahlt, kann auf der recht dünnen Schneedecke seine Runden ziehen. Das Skigebiet kündigt sich durch einen soliden Zaun an, mindesten 5 Kilometer hat man davon verbaut. Was zunächst sinnlos anmutet erklärt sich bald von selbst, neben dem Zaun suchen Rinder und Ziegen nach etwas trockenem Gras, würden die einmal quer durch das Resort ziehen, wäre die Pistenpräparation wohl dahin und braune Kuhfladen auf weißem Schnee taugen weder optisch noch technisch. An der Kasse kann man sich für einen Ski- oder einen Rodelpass entscheiden, eine eigene Rodelpiste mit Förderband soll auch Nichtskifahrer ins Resort locken. Viele der Angekommen nehmen ein Skipass mit Ausrüstungsverleih, die steht zu tausenden in der Basishalle in Form von Ski, Snowboard und Skistiefeln. Regelrecht verzückt sind wir, als wir dort auch Aufbewahrungsboxen für persönlich Dinge und regelrechte Umkleidekabinen entdecken. Kein Anquälen der Stiefel irgendwo auf dem kalten Parkplatz, gemütlich mit der Tasche ins Resort schlendern dort umziehen und den Rest in die warmen Boxen.
Die erste Bekanntschaft mit dem speziellen mongolischen Kunstschnee scheint ungewohnt, die Unterlage ist extrem hart, nur die oberen ein, zwei Zentimeter bilden ein Pulver das beim Laufen laut knirscht. Schneilanzen haben das Gemisch schon Ende Oktober bei bis zu minus 30 produziert. Der erste Sessellift führt knapp einen Kilometer ins Gebirge, dabei werden aber kaum 100 Höhenmeter erreicht. Normalerweise würde man hier wohl eher eine Langlaufloipe vermuten, aber der kalte Maschinenschnee auf der harten Unterlage lässt selbst hier ordentlich Fahrt aufnehmen. Im Resort ist diese Piste schon die zweite Stufe der Könnerhirarchie, für Anfänger der ersten Stunde gibt es zwei Förderbänder mit dem obligatorischen Idiotenhügel, wer dort eine Stunde hinter sich hat geht mutig zum Viererlift. Die Piste ist für Anfänger geradezu optimal, man stellt sich oben hin und kann ohne Kurventechnik geradeaus schießen und erreicht für Anfänger enorme Geschwindigkeiten, nach knapp einem Kilometer bleibt man von allein wieder am Lift stehen. Nachteil, wer hier lernt und das Gleichgewicht einigermaßen halten kann, denkt nach einer Stunde das wäre Skifahren und erst auf der nächst schwerere Piste merkt der nun schon fast FIS Fahrer, dass auch Anhalten und Kurven irgendwie sein muss.
Super präpariert und viel Platz auf der Zaisan Piste Sonne kann man hier Tanken, aber keinen Alkohol
Für Manchen ist es dann aber zu spät, wenn er auf einer der drei anspruchsvolleren Pisten driftet, hilft oft nur der Fangzaun am Rande, die Fahrt zu bremsen. Im Allgemeinen geht es aber recht sicher zu auf den Pisten, das liegt zum Einen am Alkoholverbot, es gibt auch tatsächlich nichts Dergleichen im Resort zu kaufen, die Leute wärmen sich mit Kaffee, heißer Schokolade oder traditionellem Buttertee auf und es ist zumindest an diesem Tag nicht überfüllt und man kommt sich einfach nicht in die Quere.
Die Flugnacht steckt noch in den Knochen und mit dem Sonnenuntergang ist Schluss für diesen Tag. Mit einem klapprigen Patrol geht es die 13 Kilometer zurück in die Stadt, ungefähr noch 5 Kilometer über Schotter und dann erst auf Asphalt, wobei in dem Fall die Schotterpiste fast schon ein Gefühl von Sicherheit vermittelt, denn die ist auf natürliche Weise stumpf, im Gegensatz zum Asphalt. Der hat vor zwei Tagen ungefähr 3 Zentimeter Schnee abbekommen und die sind bei unter minus 20 Grad zu einem halben Zentimeter Eis geworden. Unter dem Scheinwerferlicht spiegeln die Straßen der Stadt förmlich, der Versuch der Stadtverwaltung auf kritischen Abschnitten mit ein wenig Tausalz nachzuhelfen ist kläglich gescheitert, bei mongolischen Wintertemperaturen ist das eine verlorene Mühe.
Für den nächsten Tag ist Nachtski angesagt. Am Vortag hatten wir schon von einem Skibus gehört, der vom Stadtzentrum ins Resort fahren sollte.
Abfahrt im Zentrum Bergstation
Abfahrtsort war mitten im Zentrum am dramatischen Theater. Schon ein eigenartiges Gefühl, wenn man mit Ski und Montur zwischen fünfzehn und dreißig geschossigen Hochhäusern steht und auf einen Skibus wartet, für Gewöhnlich hält der ja irgendwo an der Post eines Alpenörtchens mit anheimelnden Bauernhäusern. Aber hier hat ja auch das Resort wenig Bergromantik, dafür Infrastruktur vom Feinsten, auch was die Toiletten anbetrifft. Gerade in dem Punkt hatte man als erfahrener Mongoleifahrer so im Vorfeld seine Bedenken. Wird man bei der Planung auch an das Örtchen gedacht haben ? oder hat man dann auf die Schnelle noch so eine Lösung wie auf einem Provinzflugplatz a la Ulaangom installiert, eine Bretterbude mit Loch im Boden und freiem Blick auf das Gelände. Die Realität im Sky Resort sieht anders aus, edler Natursteinfußboden, Keramik vom Feinsten und Installationen aus der Hoteloberklasse, eine Freude sich hier aufzuhalten. Der Nachmittag im Resort ist schnell vorbei, zwischen kaum mehr als einstündigen Pistenaufenthalten kommt immer die obligatorische Viertelstunde zum Aufwärmen und Teetrinken im Schnellrestaurant. 17 Uhr bleiben alle Lifte stehen und die Pistenraupen fressen sich durch den Maschinenschnee, nach knapp einer Stunde sind alle sechseinhalb Kilometer aalglatt und mit feinen Rillen überzogen. Als die fast 200 Flutlichtmasten angehen kann man sich einer gewissen Ehrfurcht nicht verschließen, ein leuchtender Steppenberg für einen fast allein, um die 50 Leute haben sich bei nunmehr minus 22 Grad eingefunden.
Ein wahres Flutlichtspektakel ist das tägliche Nachskiangebot
Der Lift, etwas abseits der taghellen Pisten, surrt durch die Nacht und Techno dröhnt aus den Lautsprechern auf den Liftmasten, die Sitze sind sprichwörtlich arschkalt. Man ist echt froh, wenn man die Liftfahrt hinter sich gebracht hat. Die Piste ist dann allerdings ein Genuss, griffig, schnell und jungfräulich präpariert, daran ändert sich auch nach einer Stunde wenig, die inzwischen vielleicht 70 Nachtfahrer verlieren sich im Areal, wenn da nicht die Kälte wäre, 25 Grad sind es mittlerweile unter null und während am Tag wenigsten die starke mongolische Sonne das Gefühl von Wärme vermittelt ist jetzt Bibbern angesagt. Nach zwei Stunden siegt das Weichei und die Ski kommen in den Skisack, eine Viertelstunde Fahrt durch die dunkle Nacht und der Skibus wurstelt sich durch Autokolonnen, Hochhäuser und bizarre Leuchtreklamen. Zum Apres Ski nicht in die Baude, sondern in die Szenekneipe, hier geht das und statt Hüttenzauber mit sinnlos Stampfschlager gibt es Ethno Rock vom Feinsten, Altan Urag im Ich Mongol. Die nicht gerade kleine Kneipe ist wie immer auf den letzten Stuhl voll und die Szene feiert sich selbst. Spätestens in dem Moment bereut man nicht mehr, die Bretter statt nach Vorarlberg zum Khentij transportiert zu haben.
Hier zwingt einen auch kein sündhaft teurer Wochenpass am nächsten Morgen wieder auf der Piste stehen zum müssen, so ist am nächsten Tag mal einfach Shoppen angesagt. Gleich mehrere neue Kaufhäuser und Einkaufszentren locken zum Reinschauen, selbst im alten Ich Delguur, dem früheren Staatskaufhaus, ist wieder umgebaut worden und es sieht jetzt richtig nach edlem Flair aus.
Winter in der City
Mongolische Erfinder haben aus dem ehemaligen Innenhof einen Lichthof mit edlen Rolltreppen gemacht, in Deutschland hätte man das Ding wahrscheinlich erstmal ganz abgerissen um es dann wieder neu aufzubauen. Auf den Fußwegen der Stadt ist das Eis allerdings mittlerweile zum Problem geworden, Kolonnen von staatlich angestellten Eisklopfern stoßen mit ihren Werkzeugen auf die Eisschicht ein und die Bröckchen splittern wie Glas, das Bing, Bing wird für die nächsten zwei, drei Tage zum vorherrschenden Geräusch in der Stadt.
neu und top, das Plaza wer es amerikanisch mag, im California
Irgendwann vor ein paar Monaten tauchte mal im Internet ein Bild von einem kleinen Skiresort in Erdenet auf, drei Pisten ein Lift ungefähr 100 Meter Höhenunterschied, das konnte man aus dem Foto entnehmen, die Idee auch dorthin zu fahren war da schon irgendwie gekeimt, nach einem Blick auf den Fahrplan der mongolischen Eisenbahn war die Sache dann beschlossen. Der alte Schlafwagenzug sollte 20 Uhr von Ulaanbaatar abfahren und gegen Acht in Erdenet sein, 20 Euro für eine Strecke und die Rückfahrt auf die gleiche Art, gegen 20 Uhr von Erdenet und am Morgen in Ulaanbaatar. Genialer kann ja ein Winterausflug in der Mongolei kaum sein, bei minus 30 Grad im warmen Schlafwagen durch die Steppe schaukeln und mit der Morgensonne in Erdenet aufwachen? Die Wagen waren trotz ihres Alters von etwa dreißig Jahren in einem wirklich guten Zustand, zumindest was den Komfort betrifft, auf die Fahrwerke kommt es bei kaum mehr als fünfzig Kilometern pro Stunde sicher weniger an.
Platz für die Ski im 4 Bettenabteil
Die Fahrt war angenehm und ließ ein wenig Erinnerung an die Transsibirische Eisenbahn aufkommen. In Erdenet befindet sich der Bahnhof aus unerfindlichen Gründen weit vor der Stadt. Dutzende Taxis standen aber bereit und unter denen war auch gleich einer mit einem Skiträger auf dem Dach, aha, hier ist man auf Wintersportler eingestellt. Es stellte sich aber heraus, dass sich der Skiträger nicht öffnen lies und der Besitzer das Fahrzeug mit dem Ding gekauft hatte, wobei der Skiträger ähnlich alt war wie der betagte Koreaner. Den Skiträger hatte er einfach draufgelassen weil es gut aussah und man manchmal ein Brett oder etwas Ähnliches daran festbinden konnte.
Bei der Ankunft war schon klar, es wird heute saukalt in Erdenet. Zunächst war ein Besuch angesagt. Die Wohnung war in einem Plattenbau aus den achtziger Jahren und man war gut beraten den warmen Pullover anzulassen und immer mal eine heiße Tasse Tee in sich reinzuschlürfen. In der Stadt sprach man schon davon, soeben die kälteste Nacht seit vielen Jahren erlebt zu haben, keine guten Aussichten zum Skifahren. Aus diesem Grund wurde der Besuch des Skigebietes auf den Mittag verschoben. Minus 28 Grad und ein richtig heftiger Wind waren selbst für Mongolen ungemütlich. Am Stadtrand tauchte auch schon der Skihang auf, so wie auf dem Foto bei Flickr schon dutzende mal angeschaut, eigenartig war nur, dass in dem Schlepplift keine Ankerbügel zu sehen waren. Direkt am Ziel war klar, hier liftet derzeit gar nichts. Am Fuße des Berges befand sich das dazugehörige Gebäude und sogar Personal war da. „Wir haben wegen des Wetters heute nicht geöffnet“ war die Antwort, „aber für weit gereiste Ausländer würden wir sogar den Lift anwerfen“. Ja aber wie soll man ohne Anker den Berg hochkommen? Langsam wurde klar, das von zwei verschiedenen Dingen die Rede war, der Lift war ein einfaches Schleppseil, das abseits an einem kleinen Hang vielleicht 200 Meter nach oben führte, das was wir meinten war eine Baustelle.
Fast fertig, das kleine Skigebiet in Erdenet. Wenn der Lift mal läuft, bedient er drei Pisten
Die großzügigen Pisten waren zwar schon lange in den Hang gegraben, eben wie auf den Fotos deutlich zu sehen, aber der Lift war noch im Bau. Ein Doppelanker mit 600 Metern Länge sollte, wie uns versichert wurde, im Februar in Betrieb gehen. Zwei mobile Schneekanonen standen auch bereit, wobei hier die Natur schon etwas bessere Arbeit als in Ulaanbaatar geleistet hatte, zehn Zentimeter waren auf alle Fälle schon mal da. Da die Lust auf Schleppseillift bei minus 28 Grad und stürmischen Winden nicht gerade übermäßig groß war, wurde mit der Besichtigung der Anlage und einem Spaziergang zur Bergstation das Ski Event in Erdenet beendet. Allein der Marsch die hundert Höhenmeter nach oben hatte unter diesen Bedingungen einen kleinen Eindruck von unbarmherziger Natur vermittelt. Wehe dem, der die Sturmhaube etwas ungeschickt lüpft und den warmen Atem unter die Brille leitet, eine dicke Eisschicht auf den Gläsern ist die Folge, die Chance die im Freien wieder los zubekommen fast null.
Die so gewonnene Freizeit bis zur Abfahrt des Zuges am Abend wurde zum Sightseeing verwendet. Nun hat Erdenet zwar über hunderttausend Einwohner aber mit Ulaanbaatar kann man die Bergarbeiterstadt wahrlich nicht vergleichen, immerhin gibt es seit Kurzem ein modernes fünf Etagen großes Warenhaus.
Die zweitgrößte Stadt der Mongolei verdankt ihre Existenz dem Kupfererz
Jetzt, am kältesten Tag des Jahres, kann man hier physikalische Beobachtungen durchführen. Während man im Erdgeschoß eher noch die Jacke geschlossen hält und die Verkäuferinnen dicke Wollpullover tragen, möchte man sich unterm Dach bis auf die Unterwäsche ausziehen, der Schweiß tropft von der Stirn, denn die Skiklamotten sind auf Tiefstemperaturen gepimpt. Der Temperaturunterschied zum Klima vor dem Haus mag gerade bei etwa sechzig Grad liegen. Erdenet hat zwar etliche Russen als Einwohner, aber ausländische Touristen sind hier doch eher selten und im Winter schon fast einmalig. Aus diesem Grund rätselte man auch allerorten, warum die beiden Russen, die man in der Stadt wohl noch nicht gesehen hatte, so bunt angezogen sind und nicht den traditionellen Pelz bevorzugen. Einige sagen gleich, „die sind noch neu hier und haben keine Ahnung wie man sich richtig vor der Kälte schützt“, andere vermuten aber, dass das neue Mode aus Moskau wäre, an Pistenlook denkt hier aber keiner, eben doch noch kein Ischgl oder Val d Isere, die mongolische Bergbaustadt am Rande der Taiga.
Pünktlich setzt sich am Abend der Schlafwagenzug vom Bahnhof Erdenet aus wieder in Bewegung, die Wagen, sind geradezu gemütlich warm und werden alle separat durch eine kleine Kohleheizung auf Temperatur gebracht, die sich in jedem Wagen befindet, verantwortlich dafür ist die Wagenschaffnerin. Es gibt saubere Bettwäsche und nette Mitfahrer im Vierbettabteil. Zunächst schaukelt der Zug sehr gemütlich und dann kommen aber auch mal Abschnitte wo er richtig Fahrt aufnimmt. Erstaunlich erscheint die Anzahl der Bahnhöfe unterwegs, wenn man die Strecke mit dem Auto bewältigt hat man den Eindruck, in fast menschenleerer Steppe unterwegs zu sein, hier aber hält der Zug alle paar Minuten irgendwo, wobei fast nie jemand aus oder einsteigt.
Die Einfahrt nach Ulaanbaatar am nächsten Morgen ist schon fast spektakulär, über eine Viertelstunde fährt der Zug durch ein regelrechtes Häusermeer. Diese Stadt ist schon ein sehr ungewöhnlicher Körper auf der mongolischen Landkarte, egal ob man sich aus der Luft, auf der Straße oder der Schiene nähert, die Verwandlung der fast endlosen Steppenlandschaft in eine Stadtlandschaft ist immer eine geradezu unwirkliche Szene.
Schon ist man wieder drin im Dauerstau und Verkehrsstress. Dem Entflieht man in den nächsten Tagen einfach wieder in das Ski Resort. Zwar gibt es auf den etwas mehr als sechs Pistenkilometern nichts Neues mehr zu entdecken, aber die guten Bedingungen lassen es zu, dass man sich intensiv dem eigentlichen Fahren und der Technik widmen kann. Gute Trainingsbedingungen sozusagen, die werden nur einmal getrübt, nachdem in der Nacht knapp drei Zentimeter Neuschnee gefallen sind.
die Schwarze bringt über 40 %
Auf einmal hat man Mühe den Lifteinstieg ohne Stockeinsatz auf den letzten Metern zu erreichen, neuer mongolischer Naturschnee ist verdammt stumpf. Fünfundzwanzig Grad Frost machen das neue feine Pulver aus den so seltenen Winterwolken zu Sandpapier, einzige auf der steilen Piste bringen die stellenweise über vierzig Prozent Gefälle noch richtig Schwung. Schon am nächsten Tag ist das Problem aber wieder geheilt, nachdem die Pistenraupen das Material ordentlich durchgemischt haben und der schon einige Wochen alte Maschinenschnee wieder die Oberhand gewonnen hat. Die geplanten 10 Tage in der Mongolei sind so schneller vorbei als zunächst angenommen und der Flieger nach Europa nimmt im Frachtraum ein paar Skisäcke zurück, möglicherweise die ersten die diesen Weg gehen, aber bestimmt nicht die letzten, denn auch im Winter ist die Mongolei eine Reise wert und ein paar Tage auf den kleinen Pistenautobahnen vom Bogd Uul sind sicher nicht die schlechteste Variante seine Skierfahrungen zu bereichern.
Jens Geu, Februar 2010