Reiseberichte aus der Mongolei Jens Geu

Drei Wochen Nomadenleben auf mongolisch


Nachdem ich bereits den Jahreswechsel ins Jahr 1986 in Ulaanbaatar verbracht habe, bin ich wild entschlossen im Sommer in die Mongolei zurück zu kehren und einen Ausflug in den Changai zu unternehmen. Bei der Anreise in die Mongolei kommt es zur ersten Überraschung, die Aeroflot-Maschine, die uns planmäßig nach Ulaanbaatar befördern sollte, beendet ihre Reise bereits nach der Zwischenlandung in Irkutsk. Nach einer guten Stunde erfahren wir, dass zu wenig Passagiere nach Ulaanbaatar an Bord sind und uns die mongolische MIAT mit einem wesentlich kleineren Propellerflugzeug abholen wird. Das kommt dann auch tatsächlich und bringt uns in die Mongolei. Da die Flughöhe kaum 4'000 Meter beträgt und die Sicht hervorragend ist bietet sich ein beeindruckendes Bild als wir in die Steppengebirge hineinfliegen, die bereits kurz vor der mongolischen Grenze ihren Anfang nehmen.

Die Besatzung gibt sich die größte Mühe, innerhalb des nur einstündigen Fluges einen Imbiss zu servieren. Man merkt förmlich den Stolz, die internationalen Passagiere selbst in das Land fliegen zu dürfen, denn bisher werden alle Flüge von und nach der Mongolei von der sowjetischen Aeroflot abgewickelt. Aus diesem Grund sind wahrscheinlich auch die mongolischen Grenzbeamten auffallend freundlich bei der Abfertigung.

Am Flughafen haben sich für das kleine Grüppchen von kaum 50 Ankömmlingen etwa zehnmal so viele Abholer eingefunden. Sofort beginnen auch die ersten Begrüßungsfeier und Wodkaflaschen kreisen in der Runde. Ich fahre mit meinem gesamten Begrüßungskomitee sofort in die Wohnung meiner Verwandten, wo schon Stunden vorher ein Buffet aufgebaut wurde, was die gesamte Begrüßungsgesellschaft mehrmals sättigen könnte. Bis zum Abend kommen aber immer neue Gäste und dabei zeigt sich, das der Aufwand gerechtfertigt war.

Am nächsten Morgen ist erst mal eine Stadtrundfahrt fällig, bei der ich unbedingt das Gandan-Kloster aufsuchen möchte, denn heute ist dort eine sogenannte Sitzung, das heißt die Mönche führen eine buddhistische Zeremonie durch. Hier im Kloster praktizieren etwa 80 Mönche den tibeto-mongolischen Lamaismus, mehr zur Pflege des kulturellen Erbes und als Glücksbringerinstitution für die Bevölkerung. Denn wer heute hier her geht, tut dies meist nur aus dem Grund, einen Wunschzettel an eine der Gebetsmühlen zu heften, in der Hoffnung, dass seine Erfüllung positiv beeinflusst wird.

Der Lamaismus hat in der Vergangenheit in der Mongolei dazu geführt, dass die Stagnation in der gesellschaftlichen Entwicklung das Land über kurz oder lang auf der Landkarte ausgelöscht hätte. Aus dem einstigen Weltreich unter Tschingis Khan war bis zum Anfang unseres Jahrhunderts ein nahezu entvölkertes Land geworden, das nach Belieben von Russen oder Chinesen verwaltet wurde. Es ist deshalb auch nicht verwunderlich, welche enorme Bedeutung neuerdings in diesem Land selbst kleinen Dingen beigemessen wird, die eine Eigenständigkeit diese Staates unterstreichen.

Beschlossen wird die Stadtrundfahrt mit einem Besuch im sogenannten Maskenmuseum, was aber eigentlich eine Tempelanlage ist, die vor allem durch ihre zahlreichen gruseligen Darstellungen auffällt. Das lässt darauf schließen, dass die Mongolen nicht immer so ausgesprochen freundlich waren. Am Ende unserer Stadtbesichtigung muss ich jedem versichern, wie ausgesprochen schön Ulaanbaatar ist, obwohl ich natürlich interessantere Städte kenne. Als Gegenleistung bestätigt mir jeder wie unglaublich schön Berlin wäre, sogar die Leute, von denen ich weiß, dass sie noch gar nicht dort waren. Aber in einem sind wir uns wieder einig, nämlich, dass Moskau im Vergleich mit unseren beiden Städten überhaupt nicht mithalten kann.


Für mich sind aber die mongolischen Landschaften der eigentliche Grund meines Hierseins und mein Hauptinteresse gilt der Frage: "Wie kommt man dahin?". Noch relativ einfach gelangt man in das Ausflugsgebiet Tereldsch etwa 60 Kilometer von Ulaanbaatar im waldreichen Chentii-Gebirge gelegen. Irgendwo in der Verwandtschaft muss man sich dazu ein Kraftfahrzeug besorgen. Meist sind das natürlich die Dienstfahrzeuge von kleineren Chefs, denn privat genutzte Fahrzeuge gibt es im Gegensatz zu den wirklich im privaten Besitz befindlichen Autos, häufiger. Bis Tereldsch kann man mit solchen Dienstautos auch problemlos fahren, da drücken die Polizeiposten ein Auge zu. In andere Richtungen kann man solche Schwarzfahrten kaum unternehmen. Hier verlangt die obligatorische Kontrolle am Stadtrand immer die Fahrzeugpapiere.

                                                                                                            

Wir fahren also mit allen Verwandten und Bekannten nach Tereldsch und lassen es uns dort zwei Tage gut gehen. Im Grunde genommen ist die Landschaft dort wirklich ausgesprochen schön und der Chentii ist die am geringsten besiedelte Landschaft der Mongolei, aber das eigentliche Fernweh ruft nach Changai, Altai, Khuvsgul oder Gobi.

        

Wieder in Ulaanbaatar angekommen, beraten wir die Möglichkeiten, die sich zur Realisierung einer Reise in entferntere Landesteile auftun. Meine mongolischen Freunde schlagen vor, zu Verwandten in den Changai zu Reisen. Für mich als Ausländer ergibt sich dabei das Problem, die Reise offiziell anzumelden, was einen erheblichen bürokratischen Aufwand bedeutet, oder einfach mitzufahren. Da keiner so richtig weiß, wie lange man auf so eine Genehmigung warten muss, entscheiden wir uns für die inoffizielle Variante.

Am übernächsten Tag sitze ich dann im Inlandswartebereich des Flughafens und versuche so wenig wie möglich aufzufallen, damit keiner nach meiner Reiseerlaubnis fragt. Die Abgabe des Gepäcks und die anderen Formalitäten haben meine mongolischen Begleiter für mich erledigt, so dass bis dahin niemand nach meiner Identität gefragt hat.

Irgendwann ist es dann wirklich soweit, und die zehn Passagiere nach Karakorum darunter auch ich, dürfen auf das Flugfeld. Allerdings erwartet uns dort kein Flugzeug, sondern ein Hubschrauber. Nachdem wir auf der längsstehenden Gemeinschaftssitzbank, die eigentlich der Kraftstofftank ist, Platz genommen haben, erhebt sich das Fluggerät nahezu senkrecht auf der Startbahn nach oben.
                                                                                  

Der grellbunte Mi-8 wird von zwei jungen Piloten gelenkt, die sicherlich erst Anfang zwanzig sind aber hoffentlich trotzdem über einige Flugerfahrung verfügen. Die Sorge scheint aber unbegründet und nach etwa drei Stunden im ohrenbetäubenden Lärm, aber ganz einmaligen Ausblicken über den Glasboden der Kanzel, senkt sich der Hubschrauber sanft auf den Steppenboden.

Es ist mittlerweile schon später Nachmittag und an eine Weiterfahrt ist zunächst nicht zu denken. Anderseits bietet es sich auch nicht gerade an, in unmittelbarer Nähe einer Siedlung sein Zelt aufzuschlagen, denn im völligen Gegensatz zu den in der freien Steppe lebenden Nomaden findet man unter den Bewohnern solcher Siedlungen immer Leute, die ihre eigenen Lebensformen entwickelt haben, die weit entfernt sind von der ansonst uneingeschränkten Gastfreundschaft der Mongolen. Wir suchen also das örtliche Gästehaus auf, wo man mich allerdings gleich nach den Reisegenehmigungen fragt. Irgendwie bekomme ich dann auch ohne Genehmigung die Erlaubnis hier zu nächtigen.

Am nächsten Tag suchen wir einige Zeit nach einer Fahrgelegenheit und finden dann einen LKW-Fahrer, der in die Richtung unterwegs ist in der etwa die Verwandten unseres Freundes zu finden sind. Wir verladen schnell das Gepäck und ich habe die Ehre, auf der Ladefläche Platz nehmen zu dürfen. Hinter dem Fahrerhaus stehend halte ich mich dann an einer Stange fest und der warme Wind bläst mir bei der ziemlich flotten Fahrt über die Steppenpiste entgegen.

Nach etwa dreißig Kilometern biegt der Fahrer ohne erkennbaren Grund von der Piste ab und wählt einen Weg in der offenen Steppe. Immer wieder fliehen vor dem Fahrzeug Erdhörnchen und Murmeltiere in ihre sicheren Baue. Die wilde Fahrt geht noch etwa eine Stunde durchs Gelände und dann taucht hinter einem Hügel wirklich die gesuchte Jurte auf.

Wir werden mit großem "Hallo" empfangen. Bei den Hausherren handelt es sich um ein Ehepaar mit fünf Kindern und die zweite Jurte des Ails gehört einem älteren Mann, der wie oft in solchen Fällen nicht mit den beiden verwandt ist. Ails aus mehreren Jurten werden meist nicht von Familien gebildet sondern hier entstehen bewusst sogenannte Kameradschaften, die aber oftmals sogar auf Lebenszeit erhalten bleiben. Man findet also unter den Mongolen praktisch keine klassischen Großfamilien mit hierarchischen Prinzipien und einer lebenslangen örtlichen Bindung. Damit sind auch verwandtschaftlichen Ehen nahezu kein Thema.

Neben den beiden Jurten hat man ein Zelt aus derbem Leinen für uns aufgebaut, das uns in den nächsten drei Wochen als Unterkunft dienen soll.


Wir nehmen das Angebot an und lassen unser Zelt im Packsack, zunächst nur aus Höflichkeit, dann müssen wir aber feststellen das die Entscheidung goldrichtig war. Wir machen gleich eine wichtige Erfahrung die beim Campen in unmittelbarer Nachbarschaft einer Jurte unbedingt beachtet werden sollte, nämlich die Neugierde des heimischen Viehs.

Im Gegensatz zur freien Steppe haben hier die Haustiere keinerlei Scheu vor einem Zelt. Gerade in der Nacht suchen die Ziegen, Schafe und Kühe die Nähe der menschlichen Behausungen, fressen dauernd an den Zeltschnüren, versuchen sich an der Wärme abstrahlenden Stoffwand zu reiben und stolpern laufend über die Abspannungen. So einer Belastungsprobe wäre auf Dauer unser leichtes Nylonzelt nicht gewachsen.

Bereits nach kurzer Zeit haben wir uns mit unseren Gastgebern bekannt gemacht, ein gutes Gefühl, was die nächsten zwei Wochen betrifft. Lediglich die beiden Hunde gefallen mir nicht sonderlich. Bereits von Anfang lassen sie keinen Zweifel daran, dass es sich nicht um Schosshündchen handelt. Die beiden sind Kreuzungen aus den klassischen mongolischen Hütehunden und was weis ich nicht. Um das Problem erst mal in den Griff zu bekommen werden die beiden tagsüber an eine Kette gelegt. Nachts laufen sie dann aber auf jeden Fall frei herum und wir bekommen die Order nach Einbruch der Dunkelheit immer in greifbarer Nähe zu Jurte oder Zelt zu bleiben. Nur wenn wir sozusagen in Verbindung zur Jurte stehen ist der generelle Befehl zum Angriff auf alles Fremde aufgehoben. Erst nach einigen Tagen haben die Hunde uns soweit akzeptiert, dass sie uns vermutlich nicht mehr gefährlich werden.


Die Tage vergehen wie im Fluge, obwohl wir uns einfach nur so treiben lassen. Einzigster fester Tagesordnungspunkt für uns ist das abendliche Melken der Ziegen, wo ich für das Einfangen und Festhalten verantwortlich bin. Der rein private Viehbestand setzt sich aus etwa 70 Ziegen, einigen Schafen, zehn Pferden und ebenso vielen Kühen zusammen. Der eigentliche Broterwerb der Familie ist allerdings die Bewirtschaftung der genossenschaftlichen Schafherde. Diese 400 Tiere große Herde bekomme ich allerdings kaum zu Gesicht, da sie irgendwo hinter dem Berg weidet. Das heißt, sie wird am Abend in einen Pferch getrieben bzw. laufen die Tiere bei Einbruch der Dunkelheit instinktiv selbst dahin, und am Tage zerstreut sich die Herde auf viele Kilometer und sucht sich sein Weidefutter. Die größere Aufmerksamkeit gilt selbstverständlich dem privaten Vieh, aber auch das treibt sich den lieben langen Tag irgendwo in der Landschaft herum und sucht nur in der Nacht die Nähe der Jurten.

Die meisten Abende verbringen wir in der Jurte bei Erzählungen und am späteren Abend mit Gesängen. Wobei man ganz klar sagen muss, dass das nichts mit Trinkfliedern und Schunkelmusik zu tun hat. Die Gesänge sind absolut ernsthaft, geradezu künstlerisch und mit sehr tiefsinnigen und poetischen Texten unterlegt. Auch spielt der Alkohol dabei keine große Rolle, da nur frischer Airag, also gegorene Stutenmilch getrunken wird, und diese ist mit ihren kaum mehr als einem Prozent Alkohol sehr wohl geeignet die Stimmung zu heben, aber direkt betrunken wird davon kaum jemand.

Im Gegensatz zu unseren Gastgebern können wir uns jeden Morgen von der schon höher stehenden Sonne wecken lassen. Für die Araten ist die Nacht bereits so gegen fünf zuende, denn da müssen die Stuten das erste mal gemolken werden, um den begehrten Rohstoff für die Airag-Produktion zu erhalten. Die Tage verbringen wir Touristen im Wesentlichen damit, auf den umliegenden Bergkämmen zu wandern oder auch hin und wieder zu Reiten.

Der nahegelegene Bach dient zur Wasserversorgung genauso wie zum Baden und das Wetter ist ausgesprochen angenehm, da die üblichen Augustniederschläge bisher ausbleiben und der leichte Steppenwind immer für Kühlung sorgt. Es ist ein Wetter, bei dem die Steppe ihre volle Schönheit entfaltet. Die Millionen Insekten sorgen mit ihrem Zirpen und Schnarren für ein ständiges beruhigendes Konzert und die Kräuter der Changai-Gebirgssteppe strömen die Gerüche von Wehmut, Kamille und Lauch aus. Unter diesen Umständen hat man bereits nach wenigen Tagen ein Stadium erreicht bei dem das Leben in Häusern und Städten fast unendlich weit weckgerückt und geradezu überflüssig geworden ist.

                                                                         

Natürlich stellt sich die Situation für die Araten nicht ganz so dar, denn neben dem mehrmaligen Melken der Stuten müssen auch Kühe und Ziegen ihre Milch abgeben und einige Haus- oder besser Jurtenarbeiten stehen immer an. Aber wenn dergleichen nicht zu tun ist liegen die Gastgeber ebenfalls in der Sonne und halten einen Schwatz oder kauen wilden Schnittlauch, denn der Sommer wird höchstens noch vier Wochen mit Wärme verwöhnen, dann wird der kurze Herbst fast plötzlich in den sonnigen aber eisigen Winter übergehen. Jetzt ist aber von alledem noch nichts zu merken und mit jedem Tag wird das Leben in den Steppenwiesen vielfältiger. Hin und wieder kommt auch mal ein Besucher vorbei, der erfahren hat, dass Auswärtige im Ail sind und man eventuell etwas neues aus Ulaanbaatar erfahren kann.

             

Allerdings passiert eines Tages das, was schon lange fällig war: als sich zwei junge Männer mit ihren Motorädern nähern, jagen die Hunde, die sich mittlerweile an uns gewöhnt haben, auf die Ankömmlinge zu und als einer versucht, mit seinem Bein nach dem Hund zu schlagen hängt der auch schon an demselben und lässt nicht mehr los. Am Ende muss dem unglücklichen Besucher die Wunde schmerzhaft ausgebrannt werden. Mein Unmut über die beiden Tiere ist damit wieder entfacht und ich frage mich wieder, was diese Kampfmaschinen in dieser so friedlichen Landschaft eigentlich sollen. Auch haben nicht alle Jurten Hunde, einige kommen auch durchaus ohne die unangenehmen Gefährten aus. Der Nutzen wird aber einige Nächte später klar. Kurz nach Mitternacht schlagen die beiden an, daraufhin entsteht Bewegung in der Jurte und die beiden Hausherren hasten mit ihren Flinten zu den Pferden. Zusammen mit den Hunden jagen sie in die nächtliche Steppe hinaus in Richtung, wo die Wölfe versuchen sich ihre Beute unter dem Vieh zu holen. Die zahlreichen Wölfe ernähren sich gerade in der Zentralmongolei überwiegend von Weidevieh, das ja relativ einfach zu haben ist. Menschen werden Wölfe praktisch nicht gefährlich da wir nicht zum Beuteschema passen. Der Angriff kann erfolgreich niedergeschlagen werden und die Wölfe ziehen hungrig ab.

Da man sozusagen mindestens eine Ziege gerettet hat, kann die dann am nächsten Tag geschlachtet werden und ein kleines Festessen stattfinden. Diesmal wird das Tier mittels Milchkanne zubereitet, das ist eine moderne Variante der ursprünglichen Zubereitung im eigenen Fell. Dabei kommt es darauf an, glühende Steine zu den ausgelösten Fleischteilen in eine große Milchkanne zu stopfen und den Deckel gegen den entsehenden Überdruck dicht zu halten. Nach einer Weile ist durch Hitze, Dampf und Druck alles in der Kanne gleichmäßig gar und das sozusagen in seinem eigenen Saft. Wenn dann auch noch reichlich gute Gewürze mit in der Kanne waren, entsteht ein wirklich guter Braten. Außerdem ist die Brühe, die ohne Zugabe von Wasser produziert wird extrem fetthaltig, so dass selbst Mongolen nur kleine Schlückchen davon zu sich nehmen.

Gegen Ende unsres Aufenthaltes wird das Wetter etwas schlechter und es kommen doch noch Regenschauer und merklich kühlere Temperaturen. Somit fällt uns der Abschied nicht so schwer und die Abreise wird damit erleichtert. Wir lassen uns diesmal mit Motorädern nach Chudschirt fahren, weil von dort planmäßig Flugzeuge verkehren, und wir uns dort auch ohne bestellte Plätze eine bessere Chance auf Mitnahme ausrechnen. Eine Platzreservierung war wegen dem Fehlen eines Telefonanschlusses in der Steppe natürlich nicht möglich. Allerdings geht es den meisten Mitreisenden so und damit weis eigentlich keiner so richtig, ob es noch klappen wird oder ob er es in zwei Tagen noch mal versuchen muss. Die Besatzung des Fliegers hat Verständnis und es wird sehr zu unserer Freude entschieden, das noch Sitzplätze auf dem Gang zugelassen werden und die zahlreichen Kinder einfach zu zweit einen Platz nutzen.


Nach diesen Maßnahmen befinden sich etwa 70 Personen anstatt der zugelassenen 56 Passagiere an Bord. Der Pilot versichert, das damit das zulässige Startgewicht noch lange nicht überschritten ist und so könnte der Flug problemlos durchgeführt werden. Jetzt setzt aber ein Sturm der Entrüstung bei den 12 mitfliegenden Touristen aus der nahegelegenen Touristenbasis von Chudschirt ein. Die vornehmlich deutschen Reisenden äußern ihr völliges Unverständnis. Da aber sowieso kein Dolmetscher dabei ist bleibt der ungehört und das Propellerflugzeug hebt von der Steppenpiste in Richtung Ulaanbaatar ab.

Jens Geu, Sommer 1986